Der ökonomische Impact der Unternehmensberatung
Empirische Evidenz zu den gesamtwirtschaftlichen Effekten der Unternehmensberatung
Seit vielen Jahren wird kontrovers diskutiert, ob und in welchem Umfang Unternehmensberatung tatsächlich einen messbaren wirtschaftlichen Beitrag leistet. Während Beratungsleistungen in Unternehmen, Politik und Verwaltung weit verbreitet sind, bleibt ihr gesamtwirtschaftlicher Nutzen häufig unscharf – nicht zuletzt, weil belastbare empirische Analysen selten sind.
Vor diesem Hintergrund hat die WGMB erstmals eine umfassende empirische Untersuchung zu den volkswirtschaftlichen Effekten der Unternehmensberatung in Deutschland durchgeführt. Die Studie analysiert, ob und in welcher Form Beratungsinvestitionen mit zentralen makroökonomischen Leistungsindikatoren zusammenhängen.
Untersuchungsansatz und Datenbasis
Die Analyse basiert auf jährlichen Zeitreihendaten für Deutschland und kombiniert Informationen aus amtlicher Statistik, der Deutschen Bundesbank sowie eigenen Erhebungen der WGMB. Betrachtet werden reale (inflationsbereinigte) Ausgaben für Unternehmensberatung sowie verschiedene volkswirtschaftliche Zielgrößen.
Untersucht werden insbesondere:
- reale Bruttowertschöpfung
- realer Bruttobetriebsüberschuss
- Umsatz im verarbeitenden Gewerbe
- Kostenquote im verarbeitenden Gewerbe
Die Daten decken – je nach Variable – Zeiträume zwischen 2000 und 2023 ab. Alle monetären Größen werden in konstanten Preisen ausgewiesen.
Zur Analyse kommen zwei komplementäre methodische Ansätze zum Einsatz:
Regressionsmodelle mit und ohne Zeitverzögerung (Lag-Modelle)
→ zur Untersuchung systematischer Zusammenhänge zwischen Beratungsausgaben und späteren wirtschaftlichen Ergebnissen
Vektorautoregressive Modelle (VAR) mit Impulse-Response-Funktionen (IRF)
→ zur Analyse dynamischer Effekte nach einmaligen Veränderungen der Beratungsausgaben
Kontrolliert wird u. a. für gesamtwirtschaftliches Wachstum und das ifo-Geschäftsklima.
Zentrale Ergebnisse
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1. Beratungsausgaben und Bruttowertschöpfung
Die Analyse zeigt einen stabilen und statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Beratungsausgaben und realer Bruttowertschöpfung.
- Eine zusätzliche Million Euro an Beratungsinvestitionen geht im Durchschnitt mit 50 bis 60 Millionen Euro höherer Bruttowertschöpfung einher.
- Dieser Zusammenhang zeigt sich sowohl zeitgleich als auch besonders deutlich mit einer Verzögerung von einem Jahr.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich Beratungseffekte häufig nicht sofort, sondern zeitversetzt entfalten – etwa im Zuge von Umsetzungsprozessen, organisatorischen Anpassungen oder strategischen Neuausrichtungen.
2. Beratungsausgaben und Bruttobetriebsüberschuss
Auch für den Bruttobetriebsüberschuss zeigen sich positive und statistisch signifikante Zusammenhänge:
- Höhere Beratungsausgaben stehen mit höheren aggregierten Unternehmensüberschüssen in Beziehung.
- Der Effekt ist sowohl zeitgleich als auch mit Verzögerung nachweisbar.
Dies spricht dafür, dass Beratung nicht nur mit Wertschöpfung, sondern auch mit der Ertragslage der Unternehmen zusammenhängt – etwa über Effizienzgewinne, bessere Steuerung oder strategische Neuausrichtung.
3. Beratungsausgaben und Umsatz im verarbeitenden Gewerbe
Für das verarbeitende Gewerbe zeigt sich ebenfalls ein signifikanter Zusammenhang:
- Höhere Beratungsausgaben gehen mit höheren realen Umsätzen im Folgejahr einher.
- Der Effekt ist ökonomisch substanziell und statistisch signifikant.
4. Beratungsausgaben und Kostenquote
Für die Kostenquote ergibt sich hingegen kein statistisch signifikanter Zusammenhang.
Mögliche Erklärungen sind:
- Die Kostenquote ist eine zusammengesetzte Kennzahl aus Kosten und Erlösen
- Effizienzgewinne können durch Investitionen oder Transformationsaufwand kurzfristig überlagert werden
- Effekte zeigen sich möglicherweise in anderen Größen (z. B. Produktivität oder Wertschöpfung), nicht unmittelbar in der Kostenquote
Dynamische Analyse:
Warum Beratung meist kein kurzfristiger Impuls ist
Ergänzend zu den Regressionsanalysen wurden Impulse-Response-Funktionen (IRFs) berechnet. Diese zeigen, wie sich wirtschaftliche Größen nach einem einmaligen, unerwarteten Anstieg der Beratungsausgaben über mehrere Jahre hinweg entwickeln.
Das zentrale Ergebnis:
Die Impuls-Antwort-Analysen zeigen keine statistisch signifikanten kurzfristigen Dynamiken.
Zwar lassen sich teilweise positive Bewegungen über mehrere Jahre beobachten, diese bleiben jedoch innerhalb der statistischen Unsicherheitsintervalle.
Diese Befunde legen nahe, dass Beratung nicht als kurzfristiger „Schock“ wirkt, sondern vielmehr als:
- kontinuierlicher
- kumulativer
- planvoll eingesetzter
- langfristig wirksamer Faktor
ökonomischer Entwicklung.
Einordnung der Ergebnisse
Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse:
- Es bestehen robuste positive Zusammenhänge zwischen Beratungsausgaben und zentralen wirtschaftlichen Leistungsindikatoren.
- Diese Zusammenhänge sind besonders ausgeprägt bei zeitlicher Verzögerung.
- Dynamische Schockeffekte lassen sich dagegen nicht eindeutig nachweisen.
- Beratung entfaltet ihre Wirkung weniger punktuell, sondern über längerfristige Prozesse von Umsetzung, Lernen und organisationaler Anpassung.
Damit sprechen die Befunde gegen ein Verständnis von Beratung als kurzfristigem „Hebel“ – und eher für ihre Rolle als struktureller Beitrag zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
Fazit
Die Analyse liefert erstmals belastbare empirische Evidenz zur volkswirtschaftlichen Bedeutung der Unternehmensberatung in Deutschland. Auch wenn keine strikte Kausalität nachgewiesen werden kann, zeigen die Ergebnisse klar:
Höhere Ausgaben für Beratung gehen systematisch mit besseren wirtschaftlichen Ergebnissen einher – insbesondere mit höherer Wertschöpfung, höheren Umsätzen und höheren Überschüssen.
Gleichzeitig verdeutlichen die Ergebnisse, dass Beratung ihre Wirkung vor allem langfristig entfaltet.
Dies gilt allerdings nicht für alle Formen der Beratung in gleicher Weise. Insbesondere Restrukturierungs- und Sanierungsberatung zielt typischerweise auf kurzfristige, unmittelbar wirksame Effekte ab. In gesamtwirtschaftlichen Analysen treten solche Effekte jedoch kaum sichtbar hervor, da der Anteil der Restrukturierungsberatung am gesamten Beratungsmarkt vergleichsweise gering ist (rund 4 Prozent). Ihre kurzfristige Wirkung geht daher im Aggregat weitgehend unter, während langfristig angelegte Beratungsformen das Gesamtbild dominieren.
Die vollständige Studie ist erschienen als:
Fink, D., Knoblach, B. & Molwitz, M. (2025).
Brains for hire, value for whom? Exploring the economic return on management consulting. European Journal of Management, 25(2), 33–49. http://dx.doi.org/10.18374/EJM-25-2.4
Bitte zitieren Sie diese Seite wie folgt:
Wissenschaftliche Gesellschaft für Management und Beratung (2025): Makroökonomische Effekte der Unternehmensberatung. https://wgmb.org/makroökonomische-effekte/
