Beratungsforschung

Die Berufs­bezeichnung Unternehmensberater genießt in Deutschland keinen standesrechtlichen Schutz. Das bedeutet, dass sich im Grunde jeder, unabhängig von seiner Ausbildung und Qualifikation, als Berater bezeichnen darf. Umso wichtiger ist eine theoretisch fundierte Auseinandersetzung mit dem Wesen und den Leistungen von Beratern. Zumal die volkswirtschaftliche Bedeutung der Consulting-Branche in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat. Nicht nur, aber vor allem auch, weil Unternehmensberater im Rahmen ihrer Tätigkeit zur Zirkulation von Wissen beitragen, dem wohl wichtigsten Produktionsfaktor moderner Wirtschaftsysteme.

In der Forschung wird die zunehmende Relevanz der Beratungsbranche erst ansatzweise reflektiert. Zwar zeichnet sich ein ansteigendes wissenschaftliches Interesse an spezifischen Aspekten der Beratung ab, insgesamt steht die Auseinandersetzung mit theoretischen und praktischen Problemstellungen der Disziplin jedoch noch am Anfang ihrer Entwicklung. In unseren eigenen Arbeiten fokussieren wir uns vor allem auf drei Themenbereiche: den Markt von und den Wettbewerb zwischen Beratern, den Impact, den Berater in der Organisation ihrer Auftraggeber erzielen, und die Reputation, die sie am Markt genießen.

Forschungsbereiche

Markt und Wettbewerb

Der deutsche Beratungsmarkt ist stark fragmentiert – und für Ratsuchende entsprechend unübersichtlich: Etwa 16.000 Beratungsunternehmen erwirtschaften hierzulande einen Jahresumsatz von rund 30 Mrd. Euro. Knapp ein Viertel davon entfällt indes allein auf die 25 führenden Firmen – allen voran die großen Drei: McKinsey, die Boston Consulting Group und Bain & Company.

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Doch die Struktur der Branche ändert sich: die großen Wirtschaftsprüfer – PwC, EY, KPMG und Deloitte – bauen ihre Beratungsarme massiv aus und entwickeln sich zu ernstzunehmenden Konkurrenten, Werbegiganten wie WPP drängen in das Beratungsgeschäft, Spezialberater etablieren sich erfolgreich in thematischen oder branchenbezogenen Nischen, ganz zu schweigen von Technologiegiganten wie Accenture und IBM, die traditionell ein beratungsintensives Geschäft betreiben. Mit unserer Forschung begleiten wir diese Entwicklungen seit 20 Jahren – das Auf und Ab einzelner Marktsegmente ebenso wie die wettbewerbsstrategische Aufstellung der wichtigsten Akteure und den Wandel der praktizierten Geschäftsmodelle.

Der Impact von Beratern

Die Frage nach der Wirksamkeit von Beratungsprojekten wird in Unternehmen und in den Medien seit jeher kontrovers diskutiert – häufig mit einem skeptischen Grundtenor. Sind Beratereinsätze tatsächlich sinnvoll? Lohnen sich die beträchtlichen Honorare, die Firmen wie McKinsey, die Boston Consulting Group oder Bain & Company in Rechnung stellen?

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Auch wir haben uns intensiv mit diesem Thema befasst, in den Anfangsjahren vor allem mit Arbeiten zum „Return on Consulting“. Trotz der großen Resonanz, die diese Arbeiten am Markt gefunden haben, müssen wir doch eingestehen, dass eine streng ökonomische Betrachtung den sehr komplexen Effekten, die von Beratereinsätzen ausgehen, nur begrenzt gerecht wird. In unserer Forschung haben wir daher heute einen anderen Zugang gewählt. Wir haben ein psychometrisches Modell auf den Beratungsmarkt übertragen, das seinen praktischen Wert in vielen anderen Lebensbereichen schon mehrfach unter Beweis gestellt hat. Was, das ist die zentrale Frage des Modells, können Berater bei ihren Auftraggebern tatsächlich bewirken? Wann und wie vermag ein Berater das Denken und Handeln seiner Klienten wirkungsvoll zu beeinflussen, zu bewegen, zu verändern? Wann hinterlässt Beratung Spuren – wann hat sie den größten „Impact“?

All dies beruht zu einem großen Teil auf der Wahrnehmung, die die Klienten von ihren Beratern haben. Unser Modell misst diese mithilfe eines Indexwertes, den wir als Perception Value Index bezeichnen. Seine Erklärungskraft ist sowohl auf der individuellen Ebene einer Führungskraft als auch auf der aggregierten Ebene für unterschiedliche Beratungsunternehmen außerordentlich hoch. Ausführliche Informationen haben wir auf einer eigenen Website zusammengestellt: www.impact-theory.com.

PVI-aggregiert
PVI-individuell

Die Reputation von Beratern

Die Reputation eines Beraters ist – nicht zuletzt aufgrund ihrer selbstbindenden Wirkung – ein guter Indikator für die Leis­tungsfähigkeit und den Leistungswillen des Beraters und damit meist eine solide Basis für die Beraterwahl.

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Um Reputation aufzubauen, muss ein Berater die Erwartungen seiner Klienten zunächst übertreffen. Er muss in den Aufbau von Vertrauen investieren, zeigen, dass er fähig und willens ist, mehr zu leisten als ein „durchschnittlicher“ Konkurrent. Hat er ein gewisses Maß an Reputation erst einmal etabliert, dann bindet ihn dieses andererseits an ein bestimmtes Leistungsniveau. Die Reputation wirkt wie ein verbindliches Versprechen, einmal etablierte Verhaltensweisen auch in Zukunft beizubehalten. Bei jedem Projekt setzt ein Berater seinen Ruf erneut aufs Spiel: Bricht er sein Versprechen, vermittelt er auch nur eine schlechte Erfahrung, so kann dies seine Reputation zerstören – und zwar nicht nur bei dem betreffenden Klienten, sondern auch bei all denen, die davon erfahren. Auf dieser Grundlage haben wir in unseren Forschungsarbeiten verschiedene Reputationsrankings und -indices entworfen, die Klienten bei der Beraterwahl und Berater bei ihrer strategischen Positionierung unterstützen.

Blickt man auf die Entwicklungen der letzten Jahre zurück, so kann man feststellen, dass sich die Beratungsbranche zunehmend in Reputationsschichten unterteilen lässt – mit zwei Firmen, die den übrigen Markt mehr und mehr hinter sich lassen: McKinsey und die Boston Consulting Group. In der Verfolgergruppe konnten sich in den letzten Jahren Bain und Oliver Wyman als stärkste Wettbewerber etablieren. Roland Berger und auch A.T. Kearney haben ihre ehemals hervorragenden Positionen eingebüßt. Die wahrscheinlich wichtigsten Herausforderer der kommenden Jahre müssen McKinsey und BCG aber wohl nicht im Kreise der klassischen Managementberater suchen: Die vier großen Wirtschaftsprüfer – PwC, Deloitte, EY und KPMG – bauen ihre Beratungssparten massiv aus und dringen langsam aber stetig in das angestammte Feld der beiden Marktführer vor. Gleichzeitig erweitern diese ihr traditionelles Leistungsspektrum um operative und technologische Beratungsangebote, die die Beratungssparten der vier großen Wirtschaftsprüfer schon seit langem für sich reklamieren. Wichtiger noch als die Big 4 könnte über kurz oder lang jedoch ein ganz anderer Wettbewerber werden, dem es weder an Größe und Finanzkraft, noch an Aggressivität und Kompetenz mangelt: Der Technologieriese Accenture.